Unser Direktkandidat Oliver Ding nahm am 8.5.2017 am IHK-Talk der Direktkandidaten zur Landtagswahl 2017 teil. Es gibt dort hauptsächlich um die Themen Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung sowie Weiterentwicklung des Gewerbestandorts Leverkusen. Im Vorfeld hatte die IHK Thesen dazu veröffentlicht und einige Fragen dazu gestellt, die auch in der Diskussion thematisiert wurden. Gerne veröffentlichen wir hier die Antworten unseres Kandidaten:
Thema 1: Finanzen und Steuern
Wie ist Ihre Position zur Entwicklung der Gewerbesteuerhebesätze in NRW – befürworten Sie eine Deckelung?
Die deutsche Gewerbesteuer ist in der Komplexität ihrer Berechnung, die willkürliche Festlegung des Kreises der Betroffenen und die hohe Abhängigkeit der Kommunen ein Sinnbild für die legendären Misstände in der Finanzierung der öffentlichen Hand in Deutschland. Eine Deckelung der Hebesätze ist mit Blick auf die Abhängigkeit der Kommunen eine Maßnahme, deren langfristigen Folgen auf die kommunalen Haushalte schwer abschätzbar ist. Wir sind der Meinung, dass der Diskurs im Bereich der Besteuerung breiter angesetzt werden muss, um den verständlichen Wunsch der Bürger nach einem nachvollziehbaren und an dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerungssystem gerecht zu werden.
Wie wollen Sie erreichen, dass die Kommunen einen höheren Anteil des bei ihnen erhobenen Gewerbesteueraufkommens erhalten/behalten?
Wir streben an, die Kommunen durch die Erhöhung der Verbundquote um jährlich 1% bis zur Höhe von insgesamt 28% (bis 2023) zu stärken.
Wie kann aus Ihrer Sicht eine Neuauflage des Stärkungspaktes aussehen, der sich auf die konkrete Hilfe finanziell notleidender Kommunen konzentriert – ohne finanziell erfolgreiche Kommunen zu belasten?
Um die Abhängigkeiten der Städte und Gemeinden zu den lokalen Unternehmen oder anderen örtlichen Begebeheiten auszuschließen, müsste eine Verteilung der Steuern, die nach der finanziellen Leistungskraft = Einkommen zur privaten Verwendung, egal aus welchen Quellen oder aus welcher Tätigkeit die Einkommen entstanden sind, auf die Städte und Kommunen in Ausrichtung nach der Anzahl der Bewohner durch den Bund erfolgen. Jeder Bürger trägt entsprechend seiner finanziellen Möglichkeiten dazu bei, dass Schulen, Kindergärten usw. von den Städten oder Gemeinden finanziert werden können.
Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, die Zuweisungen an die Kommunen aus Einkommensteuer (und den Selbstbehalt bei der Gewerbesteuer – s.o.) zu erhöhen – und die Verbundquote wieder auf 28 % anzuheben?
Insbesondere müssen Bund und Land bei den durch sie veranlassten Sozialkosten stärker einbezogen werden, denn diese Kosten stellen die höchsten Lasten für die kommunalen Haushalte dar.
Wie positioniert sich Ihre Partei zu einer – je nach Kommune individuellen – Mindest-Investitionsquote, um die öffentliche Infrastruktur zu erhalten?
Ob sich eine solche Quote bei Kommunen in Haushaltssicherung aufrechterhalten lässt, ist fraglich. Vor allem sollte die soziale Infrastruktur nicht das erste Opfer von Sparmaßnahmen sein.
Wie stehen Sie dazu, in Förderprogrammen des Landes die Folgekosten von Investitionen stärker zu berücksichtigen bzw. in die Förderung einzubeziehen?
Anders herum wird ein Schuh draus. Industrien, die jahrelang von staatlich bereitgestellten Ressourcen profitieren (z.B. Braunkohle), müssen bei den Folgekosten für die Beseitigung der dadurch erzeugten Altlasten umfassend beteiligt werden. Bauherren, die gewinnträchtige Wohnungsbauprojekte durchführen, müssen bei den Kosten für die soziale Infrastruktur (z.B. Kitas, Spielplätze, Ruheräume für Senioren) im Sinne einer sozialen Bodennutzung beteiligt werden.
Haben Sie Ideen, wie der Anteil der Kommunen an der Finanzierung von Kreis und Landschaftsverband reduziert werden könnte?
Die finanzielle Entlastung der im LVR verbundenen Kommunen durch die Senkung der Landschaftsverbandsumlage geht auf eine Initiative der Fraktion Freie Wähler/Piraten zum Haushalt des LVR 2017/2018 zurück.
Thema 2: Infrastruktur: Verkehr und Breitband, Flächen
Unterstützen Sie die Untersuchung „Gewerbeflächenentwicklung in Leverkusen“ und deren Umsetzung im neuen Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln?
Fachlich und vor allem wissenschaftliche begleitete Untersuchungen sind für sachbezogene Planungen unerlässlich. Angesichts der bevorstehenden digitalen Disruption halte ich die Berechnung aber bezüglich wegfallender Gewerbeflächen für zu optimistisch. Gerade weil der Bereich der wissensbezogenen Dienstleistungen laut Gewerbeflächenentwicklungsplan in Leverkusen überdurchschnittlich hoch ist, drohen hier durch Digitalisierung und Automatisierung Einschnitte, die zu weit mehr wegfallenden Betrieben führen wird als der Plan prognostiziert. Bei der Umwandlung von wohngebietnahen Grünflächen muss daher der Erholungscharakter für die Bevölkerung berücksichtigt werden. Einmal zementierte Wälder sind zunächst verloren, Gewerbeflächen können jedoch auch an andere Stelle erschlossen werden.
Wie kann die Landesregierung den Breitbandausbau – besonders in GE/GI-Gebieten – fördern und koordinieren? Sollte es ein ergänzendes Förderprogramm für diese Gebiete vom Land NRW (neben dem neuen Förderprogramm vom BMVI) geben?
Der Ausbau des Breitbandnetzes muss angesichts der Umwälzungen durch die weiter fortschreitende Digitalisierung von Gesellschaft und Arbeitswelt viel mehr in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden.
Wir streben den Ausbau von nachhaltiger Infrastruktur wie Glasfaser und eine Erweiterung des Funkfrequenzspektrums an. Eine finanzielle Förderung und den Ausbau von Brückentechnologien im alten Telefonnetz und Kabelnetz lehnen wir ab, da diese nur eine kurzfristige und unverhältnismäßig teure Steigerung für Übertragungsraten bieten, diese aber keine stabile, nachhaltige und zukunftsorientierte Infrastruktur gewährleisten. Wir setzen uns für eine Teilöffnung des Frequenzspektrum im UKW-Bereich sowie bei der Millimeterwelle ein, um damit dem steigenden Bedarf an Bandbreite in abgelegenen oder in Ballungsgebieten gerecht zu werden. Eine Teilnutzung von freien Funkfrequenzbändern durch LTE lehnen wir ab, denn die dadurch entstehenden Nachteile für die aktuelle Infrastruktur stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Dazu zählt auch ein aus Landesmitteln finanziertes Projekt zum Ausbau der digitalen Infrastruktur in den ländlichen Gebieten, und diese fangen schon mitten in Leverkusen an. Das Verlegen von Leerrohren (zur späteren Nutzung für Glasfaserleitungen) sollte bei allen innerörtlichen Straßenbaueingriffen verpflichtend werden, damit nicht Bereiche wie die Bruchhauser Straße in Lützenkirchen jahrelang von Breitband nur träumen können.
Wie kann die digitale Kompetenz in den Schulen gestärkt werden?
Die Piraten fordern ein Pflichtfach Informatik. Informatische Grundkenntnisse und Medienkompetenz müssen in die Lehrpläne.
Werden Sie die Verwaltungen stärker digital ausrichten, sprich mehr E-Government forcieren, um dort die Effizienz zu steigern bzw. die Kosten zu senken? Welche Ideen haben Sie dazu?
Eine ganze Liste:
- auf offene Softwarelösungen umstellen, um langfristig Lizenzkosten einzuschränken
- Förderung von freier Bereitstellung spezifischer Programmierlösungen von Städten im Sinne von GnuPG
- Bürgerportale einrichten (siehe u.a. Open Antrag)
- maschinenlesbare Formate für Ratsentscheidungen u.a. mit offener Schnittstelle (Stichwort: Open Data) und zusätzlich niederschwellige Zugriffsmöglichkeiten für Bürger (z.B. Push-Nachrichten bei ausgewählten Themen oder Stadtteilen).
- interaktive Bebauungs- und Haushaltspläne
Was tun Sie, um den Neubau der A1-Brücke schnellstmöglich voranzubringen? Wie setzen Sie sich für eine zügige Entscheidung zur Stadtautobahn ein – Tunnel oder Stelze?
Die Öffnung der Giftmülldeponie muss verhindert werden, da massive Gefahren für die Bevölkerung drohen. Die mangelnde Koordination schon im Vorfeld, die z.B. zu Sperrungen in Wiesdorf führten, obwohl noch gar nicht gebaut wurde, lässt Böses erahnen. Statt eines Brückenneubaus sollte eine Kombitunnellösung her. Dies würde es erlauben, die bestehende Brücke so zu sanieren, dass sie für den Nahverkehr (inkl. ÖPNV, z.B. eine Straßenbahn) bereitgestellt werden könnte. Damit würden in Leverkusen Chancen für die Verkehrswende genutzt. Besserer ÖPNV bietet schließlich auch Entlastungen für den gewerblichen Verkehr.
Thema 3: Aus- und Weiterbildung, Schule, Fachkräftesicherung
Teilen Sie unsere Einschätzung zur Bedeutung der Industrie für Leverkusen und wie können Sie in Düsseldorf und hier in Leverkusen helfen, das Wissen um die Bedeutung und den Stellenwert der Industrie bei der Landesregierung und vor Ort bei den Menschen zu erhöhen?
Die Industrie, vor allem die chemische Industrie, gehört zu Leverkusen dazu. Dies gehört auch zum Selbstbild vieler Leverkusener, die darauf auch berechtigerweise Stolz äußern. Dennoch dürfen Stolz auf die Industrie und Sorge um Arbeitsplätze nicht die einzigen Parameter sein, an denen Entscheidungen getroffen werden. Die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt müssen auch in Leverkusen unbedingt beachtet werden, wenn z.B. Entscheidungen über die Weiterentwicklung der Infrastruktur und die Entwicklung der Luftqualität getroffen werden. Angesichts der Weigerung von Straßen.NRW, bei der Planung der Rheinquerung ernsthaft eine Tunnellösung anzustreben, zeigt sich, dass das Wissen um Bedeutung und Stellenwert der Industrie dort bereits vorliegt und deutlich berücksichtigt wird. Im vorauseilenden Gehorsam soll ein Brückenneubau durchgepeitscht werden, obwohl auch bei einer Tunnellösung Gefahrguttransporte möglich sind.
Unterstützen Sie unsere Forderung, das Übergangssystem KAoA weiter zu entwickeln und besonders mehr systematischere Praxiserfahrungen von Schülern in Betrieben zu fördern?
Das Konzept „Kein Abschluss ohne Anschluss“ deckt sich mit den Vorstellungen der Piratenpartei zur Erwachsenenbildung. Im Zuge des Lebenslangen Lernens wollen wir gewährleisten, dass das Bildungssystem offen ist für den Erwerb neuer Kompetenzen und Fähigkeiten für alle Altersgruppen. Dabei sollte sich das Weiterbildungsangebot jedoch nicht primär an der besseren Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ausrichten, sondern vor allem an den individuellen Bedürfnissen. Lebenslanges Lernen muss gefördert werden. Prüfungen und Kurse müssen sich flexibel an individuelle Lebensumstände anpassen, um mehr Menschen die Nutzung von Weiterbildungsangeboten zu ermöglichen.
Was halten Sie von der Idee, mehr und neue 2-jährige Ausbildungsberufe zu entwickeln, damit auch schwächere Schulabgänger den Einstieg in die Berufsausbildung schaffen können? Immer modular – also mit der Möglichkeit, (später) darauf aufstocken zu können!
Die fundierte Wissensvermittlung auch für gering qualifizierte Arbeitsnehmer ist sinnvoll; zum einen, weil Arbeitnehmer so in bestimmten Bereichen schnuppern können, zum anderen, weil somit die Grundlage für darauf aufbauende Qualifikationen gelegt werden kann. Ergänzend ist es aber auch notwendig, bei bestimmten durch materielle Qualifikationen nachgewiesenen Vorbildungen Anrechungsmöglichkeiten festzulegen (z.B. inwieweit Arzthelferinnen die Ausbildung zur Pflegefachkraft verkürzen können) und entsprechende Qualifikationsangebote zu machen.
Wie hoch sollte Ihrer Meinung nach die Studier-Quote eines Jahrgangs sein? OECD kritisiert Deutschland – „nur“ 30 %! (OECD-Durchschnitt: 40 %).
Es ist wegen der dualen Ausbildung mit deutlichen schulischen Anteilen in Deutschland fraglich, inwieweit die Quoten tatsächlich vergleichbar sind. Die Studierquote anzuheben könnte jedoch den Mangel an qualifizierten Fachkräften reduzieren. Zur Verbesserung dieser Quote müssen die soziale Durchlässigkeit unseres Bildungssystems verbessert und die finanzielle Unterstützung für Studierende verbessert werden.
Wie können Ihrer Meinung nach die hohen Abbruchquoten bei Studierenden reduziert werden?
Der Großteil der Studienabbrüche erfolgt aus finanziellen Gründen. Auch nach dem Wegfall der Studiengebühren kommen dafür zahlreiche Faktoren zusammen: Auf steigende Lebenshaltungskosten und lange Anfahrten bei studienplatzfernem Wohnort bei ggf. fehlendem Anspruch auf BAföG kann durch einen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus reagiert werden. Die elternunabhängige Gewährung des BAföG und Liberalisierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz wären Bundesangelegenheiten, zu denen der Düsseldorfer Landtag aber Impulse setzen könnte.
Würden Sie sich in Düsseldorf dafür einsetzen, für potenzielle Studienabbrecher Strukturen für einen systematischen Weg zurück aus der Hochschule in Ausbildung oder Arbeit zu schaffen?
Neben praxisnäheren Studiengängen, die Studierende an Betriebe heranführt, würde vor allem ein flexibles, erworbene Vorkenntnisse auch ohne materielle Qualifikationen berücksichtigendes Weiterbildungsangebot helfen. Dabei könnte z.B. das Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ erweitert oder als Impuls für gemeinsames Projekt von öffenlicher Hand und Gewerbetreibenden werden.
Soll in allen Schulformen das Curriculum um die Aspekte „Wirtschaft – wie funktioniert die Soziale Marktwirtschaft – auch vor Ort?“ erweitert werden?
Soziale Marktwirtschaft steht bereits auf den Lehrplänen aller Schulformen. Die Beschreibung lokaler Wirtschaftszusammenhänge sollte also bereits erfolgen. Man könnte angesichts populärer Steuervermeidungstaktiken allerdings den Eindruck bekommen, dass einzelne Vertreter aus Wirtschaft und Politik daran erinnert werden sollten, dass Soziale Marktwirtschaft eine soziale Komponente hat.
Inhalte
Unser Direktkandidat Oliver Ding nahm am 8.5.2017 am IHK-Talk der Direktkandidaten zur Landtagswahl 2017 teil. Es gibt dort hauptsächlich um die Themen Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung sowie Weiterentwicklung des Gewerbestandorts Leverkusen. Im Vorfeld hatte die IHK Thesen dazu veröffentlicht und einige Fragen dazu gestellt, die auch in der Diskussion thematisiert wurden. Gerne veröffentlichen wir hier die Antworten unseres Kandidaten:
Thema 1: Finanzen und Steuern
Wie ist Ihre Position zur Entwicklung der Gewerbesteuerhebesätze in NRW – befürworten Sie eine Deckelung?
Die deutsche Gewerbesteuer ist in der Komplexität ihrer Berechnung, die willkürliche Festlegung des Kreises der Betroffenen und die hohe Abhängigkeit der Kommunen ein Sinnbild für die legendären Misstände in der Finanzierung der öffentlichen Hand in Deutschland. Eine Deckelung der Hebesätze ist mit Blick auf die Abhängigkeit der Kommunen eine Maßnahme, deren langfristigen Folgen auf die kommunalen Haushalte schwer abschätzbar ist. Wir sind der Meinung, dass der Diskurs im Bereich der Besteuerung breiter angesetzt werden muss, um den verständlichen Wunsch der Bürger nach einem nachvollziehbaren und an dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerungssystem gerecht zu werden.
Wie wollen Sie erreichen, dass die Kommunen einen höheren Anteil des bei ihnen erhobenen Gewerbesteueraufkommens erhalten/behalten?
Wir streben an, die Kommunen durch die Erhöhung der Verbundquote um jährlich 1% bis zur Höhe von insgesamt 28% (bis 2023) zu stärken.
Wie kann aus Ihrer Sicht eine Neuauflage des Stärkungspaktes aussehen, der sich auf die konkrete Hilfe finanziell notleidender Kommunen konzentriert – ohne finanziell erfolgreiche Kommunen zu belasten?
Um die Abhängigkeiten der Städte und Gemeinden zu den lokalen Unternehmen oder anderen örtlichen Begebeheiten auszuschließen, müsste eine Verteilung der Steuern, die nach der finanziellen Leistungskraft = Einkommen zur privaten Verwendung, egal aus welchen Quellen oder aus welcher Tätigkeit die Einkommen entstanden sind, auf die Städte und Kommunen in Ausrichtung nach der Anzahl der Bewohner durch den Bund erfolgen. Jeder Bürger trägt entsprechend seiner finanziellen Möglichkeiten dazu bei, dass Schulen, Kindergärten usw. von den Städten oder Gemeinden finanziert werden können.
Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, die Zuweisungen an die Kommunen aus Einkommensteuer (und den Selbstbehalt bei der Gewerbesteuer – s.o.) zu erhöhen – und die Verbundquote wieder auf 28 % anzuheben?
Insbesondere müssen Bund und Land bei den durch sie veranlassten Sozialkosten stärker einbezogen werden, denn diese Kosten stellen die höchsten Lasten für die kommunalen Haushalte dar.
Wie positioniert sich Ihre Partei zu einer – je nach Kommune individuellen – Mindest-Investitionsquote, um die öffentliche Infrastruktur zu erhalten?
Ob sich eine solche Quote bei Kommunen in Haushaltssicherung aufrechterhalten lässt, ist fraglich. Vor allem sollte die soziale Infrastruktur nicht das erste Opfer von Sparmaßnahmen sein.
Wie stehen Sie dazu, in Förderprogrammen des Landes die Folgekosten von Investitionen stärker zu berücksichtigen bzw. in die Förderung einzubeziehen?
Anders herum wird ein Schuh draus. Industrien, die jahrelang von staatlich bereitgestellten Ressourcen profitieren (z.B. Braunkohle), müssen bei den Folgekosten für die Beseitigung der dadurch erzeugten Altlasten umfassend beteiligt werden. Bauherren, die gewinnträchtige Wohnungsbauprojekte durchführen, müssen bei den Kosten für die soziale Infrastruktur (z.B. Kitas, Spielplätze, Ruheräume für Senioren) im Sinne einer sozialen Bodennutzung beteiligt werden.
Haben Sie Ideen, wie der Anteil der Kommunen an der Finanzierung von Kreis und Landschaftsverband reduziert werden könnte?
Die finanzielle Entlastung der im LVR verbundenen Kommunen durch die Senkung der Landschaftsverbandsumlage geht auf eine Initiative der Fraktion Freie Wähler/Piraten zum Haushalt des LVR 2017/2018 zurück.
Thema 2: Infrastruktur: Verkehr und Breitband, Flächen
Unterstützen Sie die Untersuchung „Gewerbeflächenentwicklung in Leverkusen“ und deren Umsetzung im neuen Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln?
Fachlich und vor allem wissenschaftliche begleitete Untersuchungen sind für sachbezogene Planungen unerlässlich. Angesichts der bevorstehenden digitalen Disruption halte ich die Berechnung aber bezüglich wegfallender Gewerbeflächen für zu optimistisch. Gerade weil der Bereich der wissensbezogenen Dienstleistungen laut Gewerbeflächenentwicklungsplan in Leverkusen überdurchschnittlich hoch ist, drohen hier durch Digitalisierung und Automatisierung Einschnitte, die zu weit mehr wegfallenden Betrieben führen wird als der Plan prognostiziert. Bei der Umwandlung von wohngebietnahen Grünflächen muss daher der Erholungscharakter für die Bevölkerung berücksichtigt werden. Einmal zementierte Wälder sind zunächst verloren, Gewerbeflächen können jedoch auch an andere Stelle erschlossen werden.
Wie kann die Landesregierung den Breitbandausbau – besonders in GE/GI-Gebieten – fördern und koordinieren? Sollte es ein ergänzendes Förderprogramm für diese Gebiete vom Land NRW (neben dem neuen Förderprogramm vom BMVI) geben?
Der Ausbau des Breitbandnetzes muss angesichts der Umwälzungen durch die weiter fortschreitende Digitalisierung von Gesellschaft und Arbeitswelt viel mehr in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden.
Wir streben den Ausbau von nachhaltiger Infrastruktur wie Glasfaser und eine Erweiterung des Funkfrequenzspektrums an. Eine finanzielle Förderung und den Ausbau von Brückentechnologien im alten Telefonnetz und Kabelnetz lehnen wir ab, da diese nur eine kurzfristige und unverhältnismäßig teure Steigerung für Übertragungsraten bieten, diese aber keine stabile, nachhaltige und zukunftsorientierte Infrastruktur gewährleisten. Wir setzen uns für eine Teilöffnung des Frequenzspektrum im UKW-Bereich sowie bei der Millimeterwelle ein, um damit dem steigenden Bedarf an Bandbreite in abgelegenen oder in Ballungsgebieten gerecht zu werden. Eine Teilnutzung von freien Funkfrequenzbändern durch LTE lehnen wir ab, denn die dadurch entstehenden Nachteile für die aktuelle Infrastruktur stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Dazu zählt auch ein aus Landesmitteln finanziertes Projekt zum Ausbau der digitalen Infrastruktur in den ländlichen Gebieten, und diese fangen schon mitten in Leverkusen an. Das Verlegen von Leerrohren (zur späteren Nutzung für Glasfaserleitungen) sollte bei allen innerörtlichen Straßenbaueingriffen verpflichtend werden, damit nicht Bereiche wie die Bruchhauser Straße in Lützenkirchen jahrelang von Breitband nur träumen können.
Wie kann die digitale Kompetenz in den Schulen gestärkt werden?
Die Piraten fordern ein Pflichtfach Informatik. Informatische Grundkenntnisse und Medienkompetenz müssen in die Lehrpläne.
Werden Sie die Verwaltungen stärker digital ausrichten, sprich mehr E-Government forcieren, um dort die Effizienz zu steigern bzw. die Kosten zu senken? Welche Ideen haben Sie dazu?
Eine ganze Liste:
Was tun Sie, um den Neubau der A1-Brücke schnellstmöglich voranzubringen? Wie setzen Sie sich für eine zügige Entscheidung zur Stadtautobahn ein – Tunnel oder Stelze?
Die Öffnung der Giftmülldeponie muss verhindert werden, da massive Gefahren für die Bevölkerung drohen. Die mangelnde Koordination schon im Vorfeld, die z.B. zu Sperrungen in Wiesdorf führten, obwohl noch gar nicht gebaut wurde, lässt Böses erahnen. Statt eines Brückenneubaus sollte eine Kombitunnellösung her. Dies würde es erlauben, die bestehende Brücke so zu sanieren, dass sie für den Nahverkehr (inkl. ÖPNV, z.B. eine Straßenbahn) bereitgestellt werden könnte. Damit würden in Leverkusen Chancen für die Verkehrswende genutzt. Besserer ÖPNV bietet schließlich auch Entlastungen für den gewerblichen Verkehr.
Thema 3: Aus- und Weiterbildung, Schule, Fachkräftesicherung
Teilen Sie unsere Einschätzung zur Bedeutung der Industrie für Leverkusen und wie können Sie in Düsseldorf und hier in Leverkusen helfen, das Wissen um die Bedeutung und den Stellenwert der Industrie bei der Landesregierung und vor Ort bei den Menschen zu erhöhen?
Die Industrie, vor allem die chemische Industrie, gehört zu Leverkusen dazu. Dies gehört auch zum Selbstbild vieler Leverkusener, die darauf auch berechtigerweise Stolz äußern. Dennoch dürfen Stolz auf die Industrie und Sorge um Arbeitsplätze nicht die einzigen Parameter sein, an denen Entscheidungen getroffen werden. Die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt müssen auch in Leverkusen unbedingt beachtet werden, wenn z.B. Entscheidungen über die Weiterentwicklung der Infrastruktur und die Entwicklung der Luftqualität getroffen werden. Angesichts der Weigerung von Straßen.NRW, bei der Planung der Rheinquerung ernsthaft eine Tunnellösung anzustreben, zeigt sich, dass das Wissen um Bedeutung und Stellenwert der Industrie dort bereits vorliegt und deutlich berücksichtigt wird. Im vorauseilenden Gehorsam soll ein Brückenneubau durchgepeitscht werden, obwohl auch bei einer Tunnellösung Gefahrguttransporte möglich sind.
Unterstützen Sie unsere Forderung, das Übergangssystem KAoA weiter zu entwickeln und besonders mehr systematischere Praxiserfahrungen von Schülern in Betrieben zu fördern?
Das Konzept „Kein Abschluss ohne Anschluss“ deckt sich mit den Vorstellungen der Piratenpartei zur Erwachsenenbildung. Im Zuge des Lebenslangen Lernens wollen wir gewährleisten, dass das Bildungssystem offen ist für den Erwerb neuer Kompetenzen und Fähigkeiten für alle Altersgruppen. Dabei sollte sich das Weiterbildungsangebot jedoch nicht primär an der besseren Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ausrichten, sondern vor allem an den individuellen Bedürfnissen. Lebenslanges Lernen muss gefördert werden. Prüfungen und Kurse müssen sich flexibel an individuelle Lebensumstände anpassen, um mehr Menschen die Nutzung von Weiterbildungsangeboten zu ermöglichen.
Was halten Sie von der Idee, mehr und neue 2-jährige Ausbildungsberufe zu entwickeln, damit auch schwächere Schulabgänger den Einstieg in die Berufsausbildung schaffen können? Immer modular – also mit der Möglichkeit, (später) darauf aufstocken zu können!
Die fundierte Wissensvermittlung auch für gering qualifizierte Arbeitsnehmer ist sinnvoll; zum einen, weil Arbeitnehmer so in bestimmten Bereichen schnuppern können, zum anderen, weil somit die Grundlage für darauf aufbauende Qualifikationen gelegt werden kann. Ergänzend ist es aber auch notwendig, bei bestimmten durch materielle Qualifikationen nachgewiesenen Vorbildungen Anrechungsmöglichkeiten festzulegen (z.B. inwieweit Arzthelferinnen die Ausbildung zur Pflegefachkraft verkürzen können) und entsprechende Qualifikationsangebote zu machen.
Wie hoch sollte Ihrer Meinung nach die Studier-Quote eines Jahrgangs sein? OECD kritisiert Deutschland – „nur“ 30 %! (OECD-Durchschnitt: 40 %).
Es ist wegen der dualen Ausbildung mit deutlichen schulischen Anteilen in Deutschland fraglich, inwieweit die Quoten tatsächlich vergleichbar sind. Die Studierquote anzuheben könnte jedoch den Mangel an qualifizierten Fachkräften reduzieren. Zur Verbesserung dieser Quote müssen die soziale Durchlässigkeit unseres Bildungssystems verbessert und die finanzielle Unterstützung für Studierende verbessert werden.
Wie können Ihrer Meinung nach die hohen Abbruchquoten bei Studierenden reduziert werden?
Der Großteil der Studienabbrüche erfolgt aus finanziellen Gründen. Auch nach dem Wegfall der Studiengebühren kommen dafür zahlreiche Faktoren zusammen: Auf steigende Lebenshaltungskosten und lange Anfahrten bei studienplatzfernem Wohnort bei ggf. fehlendem Anspruch auf BAföG kann durch einen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus reagiert werden. Die elternunabhängige Gewährung des BAföG und Liberalisierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz wären Bundesangelegenheiten, zu denen der Düsseldorfer Landtag aber Impulse setzen könnte.
Würden Sie sich in Düsseldorf dafür einsetzen, für potenzielle Studienabbrecher Strukturen für einen systematischen Weg zurück aus der Hochschule in Ausbildung oder Arbeit zu schaffen?
Neben praxisnäheren Studiengängen, die Studierende an Betriebe heranführt, würde vor allem ein flexibles, erworbene Vorkenntnisse auch ohne materielle Qualifikationen berücksichtigendes Weiterbildungsangebot helfen. Dabei könnte z.B. das Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ erweitert oder als Impuls für gemeinsames Projekt von öffenlicher Hand und Gewerbetreibenden werden.
Soll in allen Schulformen das Curriculum um die Aspekte „Wirtschaft – wie funktioniert die Soziale Marktwirtschaft – auch vor Ort?“ erweitert werden?
Soziale Marktwirtschaft steht bereits auf den Lehrplänen aller Schulformen. Die Beschreibung lokaler Wirtschaftszusammenhänge sollte also bereits erfolgen. Man könnte angesichts populärer Steuervermeidungstaktiken allerdings den Eindruck bekommen, dass einzelne Vertreter aus Wirtschaft und Politik daran erinnert werden sollten, dass Soziale Marktwirtschaft eine soziale Komponente hat.