Auf unsere Anregung stellte Ratsherr Keneth Dietrich am 19.10.2017 eine Anfrage zum Thema „Widersprüche gegen Bescheide und Sanktionen des Jobcenters in Leverkusen“, die wir hier sehr gerne dokumentieren. Anfrage und Stellungnahme wurden in der z.d.A. Rat vom 19.12.2017 veröffentlicht.
Anfrage
2016 wurden in Deutschland 939.000 Sanktionen im Gesamtumfang von knapp 175 Millionen Euro gegen ALG-II-Empfänger verhängt. Dagegen legen immer mehr Leistungsbezieherinnen und -bezieher Widersprüche ein, und es kommt zudem häufiger zu Klagen gegen Bescheide der Jobcenter. Allein im letzten Jahr entschieden die Gerichte über ca. 121.000 Klagen, von denen fast 40 Prozent stattgegeben wurde.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Stadtverwaltung:
- Wie viele Sanktionen wurden von Januar 2016 bis heute in Leverkusen verhängt?
(Bitte schlüsseln Sie nach absoluten Zahlen und Prozenten sowie Gründen für Sanktionen auf.)
- In welcher Höhe wurde der Regelsatz durchschnittlich gekürzt und wie viel Geld wurde den Betroffenen insgesamt vorenthalten?
- Wie viele Widersprüche sind im vergangenen Jahr gegen Entscheidungen des Jobcenters Leverkusen eingereicht worden? (Bitte nach Art der Entscheidung, z.B. Sanktionsbescheid, aufschlüsseln.)
- Wie viele Klagen und Widersprüche gegen Entscheidungen des Leverkusener Jobcenters wurden seit Januar 2015 bis heute eingereicht? (Bitte Klage- und Widerspruchsgründe nach absoluten Zahlen und Prozenten aufschlüsseln.)
- Wie vielen von den in Frage 4 abgefragten Widersprüchen und Klagen wurde stattgegeben (im Sinne der Klägerinnen und Kläger entschieden) und wie viele Verfahren wurden eingestellt oder durch einen Vergleich befriedet?
Antwort der Stadtverwaltung
Stellungnahme:
Gemäß § 53 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) liegt die Statistikhoheit für alle Daten der Grundsicherung bei der Bundesagentur für Arbeit. Daher können seitens des Jobcenter Arbeit und Grundsicherung Leverkusen (Jobcenter AGL) keine eigenen Auswertungen gefertigt werden. Für die Beantwortung der Fragen wurden daher Daten des Statistikservices der Bundesagentur für Arbeit verwandt, die dieser auf Anfrage am 06.11.2017 zur Verfügung gestellt hat.
Die im Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit vorliegenden Werte für Sanktionen beziehen sich auf Daten bis einschließlich Juni 2017 und für Widersprüche/Klagen bis September 2017. Aktuellere Werte liegen derzeit nicht vor.
Zu 1.:
In der Zeit von Januar 2016 bis Juni 2017 mussten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jobcenter AGL aufgrund gesetzlicher Vorschriften insgesamt 4.117 Sanktionen verhängt werden. Hiervon entfielen auf:
Meldeversäumnis beim Träger (Jobcenter AGL) |
3.317 |
80,6 % |
Weigerung, die Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung
(gemäß § 15 SGB II) zu erfüllen |
577 |
14,0 % |
Weigerung, eine Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen |
110 |
2,7 % |
Pflichtverletzung aus Vorbezug SGB III |
83 |
2,0 % |
4 weitere Gründe (nicht detailliert aufgeschlüsselt) |
30 |
0,7 % |
Zu 2.:
Gemäß § 31a Absatz 1 SGB II erfolgt im Falle der ersten Pflichtverletzung eine Minderung des Regelbedarfs (§ 20 SGB II) um 30 %, bei einer zweiten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres um 60 % und ab der dritten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres um 100 %. Sofern der Leistungsberechtigte das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, tritt die Minderung des Regelbedarfs um 100 % bereits bei der ersten Pflichtverletzung ein (§ 31a Absatz 2 SGB II).
Gemäß § 31a Absatz 3 SGB II kann der Träger ab einer Minderung des Regelbedarfs um mehr als 30 % in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen (z. B. Lebensmittelgutschein) erbringen. Die Höhe der Minderung (absolut) ist somit von der Höhe des individuellen Regelbedarfs abhängig und steigt aufgrund der prozentualen Minderung mit einer Regelbedarfsanpassung durch den Gesetzgeber.
Bei den von einer Minderung des Regelbedarfs betroffenen Leistungsberechtigten betrug die Minderung in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.06.2017 durchschnittlich 83,70 €. In diesem Zeitraum waren insgesamt 8.246 Leistungsberechtigte von Minderungen betroffen, die Minderungen betrugen insgesamt 690.230 €.
Zu 3.:
Dem Jobcenter AGL wurden vom Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit statistische Werte zu Widersprüchen für den Zeitraum bis 30.09.2017 zur Verfügung gestellt.
In der Zeit vom 01.01.2017 bis 30.09.2017 wurden insgesamt 1.195 Widersprüche eingelegt.
Davon entfielen auf:
Aufhebung und Erstattung |
267 |
22,3 % |
Einkommen/Vermögen |
194 |
16,2 % |
Kosten für Unterkunft und Heizung |
122 |
10,2 % |
Zugangsvoraussetzungen |
110 |
9,2 % |
Sanktionen |
99 |
8,3 % |
Sonstige * |
403 |
33,7 % |
* In der Kategorie „Sonstige“ sind die übrigen Sachgebiete Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, Regelleistung/Mehrbedarfe, sonstige Leistungen zum Lebensunterhalt, Verpflichtung Anderer, Aufrechnung, Abführung an Dritte, Mitwirkung sowie Überprüfungsanträge enthalten.
Zu 4.:
In der Zeit vom 01.01.2015 bis 30.09.2017 wurden insgesamt 2.985 Widersprüche eingelegt.
Davon entfielen auf:
Aufhebung und Erstattung |
634 |
21,2 % |
Einkommen/Vermögen |
539 |
18,1 % |
Kosten für Unterkunft und Heizung |
310 |
10,4 % |
Sanktionen |
270 |
9,0 % |
Zugangsvoraussetzungen |
268 |
9,0 % |
Sonstige * |
964 |
32,3 % |
In der Zeit vom 01.01.2015 bis 30.09.2017 wurden insgesamt 225 Klagen eingereicht.
Davon entfielen auf:
Aufhebung und Erstattung |
30 |
13,3 % |
Einkommen/Vermögen |
29 |
12,9 % |
Kosten für Unterkunft und Heizung ** |
22 |
9,8 % |
Zugangsvoraussetzungen |
16 |
7,1 % |
Sanktionen ** |
4 |
1,8 % |
Sonstige * |
114 |
50,7 % |
* In der Kategorie „Sonstige“ sind die übrigen Sachgebiete Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, Regelleistung/Mehrbedarfe, sonstige Leistungen zum Lebensunterhalt, Verpflichtung Anderer, Aufrechnung, Abführung an Dritte, Mitwirkung sowie Überprüfungsanträge enthalten.
** Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. Darüber hinaus unterliegen Informationen der Grundsicherungsstatistik auch der statistischen Geheimhaltung, wenn sie sich nur auf 1 oder 2 Bedarfsgemeinschaften beziehen. Daher konnten 10 Klagen nicht den Gründen „Kosten für Unterkunft und Heizung“ und „Sanktionen“ zugeordnet werden.
Zu 5.:
In der Zeit vom 01.01.2015 bis 30.09.2017 wurden von den insgesamt eingelegten 2.985 Widersprüchen 2.940 abschließend bearbeitet. 360 abschließend bearbeitete Widersprüche wurden in der folgenden Auflistung aus den bereits unter Frage 4 genannten datenschutzrechtlichen Gründen nicht zugeordnet.
Ergebnis:
Stattgegeben |
891 |
30,3 % |
Teilweise stattgegeben |
229 |
7,8 % |
Zurückgewiesen |
1.277 |
43,4 % |
Sonstige Erledigung/Rücknahme des Widerspruchs |
183 |
6,2 % |
In der Zeit vom 01.01.2015 bis 30.09.2017 wurden insgesamt 214 Klagen gerichtlich entschieden. Hierbei handelt es sich allerdings nicht ausschließlich um die in diesem Zeitraum eingereichten Klagen, da Gerichtsverfahren zwischen 3 Monaten und 2 ½ Jahren in Anspruch nehmen.
25 gerichtlich entschiedene Klagen wurden in der folgenden Auflistung aus den bereits unter Frage 4 genannten datenschutzrechtlichen Gründen nicht zugeordnet.
Ergebnis:
Stattgegeben, teilweise stattgegeben mit Urteil/Beschluss |
3 |
1,4 % |
Abgewiesen mit Urteil/Beschluss |
12 |
5,6 % |
anderweitig erledigt mit Nachgeben/teilweise Nachgeben/ohne Nachgeben |
174 |
81,3 % |
Jobcenter Arbeit und Grundsicherung Leverkusen
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Auf unsere Anregung stellte Ratsherr Keneth Dietrich am 19.10.2017 eine Anfrage zum Thema „Widersprüche gegen Bescheide und Sanktionen des Jobcenters in Leverkusen“, die wir hier sehr gerne dokumentieren. Anfrage und Stellungnahme wurden in der z.d.A. Rat vom 19.12.2017 veröffentlicht.
Anfrage
Antwort der Stadtverwaltung