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PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag – Keine großen Sprünge im Bereich Verkehr

Die zukünftige Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag erwartungsgemäß auch den Themen Mobilität und Verkehr einen zentralen Platz eingeräumt. Die beiden Themen sind deutlich im Fokus der Koalitionäre und auch mit ambitionierten Zielen verbunden, die sich in das grundlegende Ziel der „Dekarbonisierung des Mobilitätsbereichs“ einordnen lassen. 

Schiene vor Straße

Es soll zum ersten Mal mehr Investitionen in die Schiene als in die Straße geben. Damit unterscheidet sich die neue Koalition deutlich von ihren Vorgängern. So soll der „Deutschlandtakt“ unter Beibehaltung der bisherigen Zielstellung von 2030 weiter vorangetrieben werden. Es sollen 75 % des Schienennetzes elektrifiziert werden; der Anteil der Schiene am Güterverkehr soll auf 25 % steigen bei gleichzeitiger Verdoppelung des Schienenpersonenverkehrs.

Eine verbesserte Schienenanbindung an Luftverkehrskreuze ist vorgesehen. Bei Neuerschließung von Gewerbe-/Industriegebieten soll eine verpflichtende Prüfung zur Machbarkeit von Gleisanbindungen eingeführt werden. Hierdurch soll die Wichtigkeit des Schienenausbaus im Umland unterstrichen werden.

Gewinne der Bahn in der Infrastruktur sollen in diesem Sektor verbleiben, um damit den weiteren Ausbau derselben mitfinanzieren zu können.

Die im Vorfeld heiß diskutierte Zerschlagung der Bahn hat man, offensichtlich auf Drängen der SPD, auf Eis gelegt. Stattdessen sollen die Infrastruktureinheiten der Bahn unter einem Dach vereint und dem gemeinwohlorientierten Wirtschaften verpflichtet werden.

Fazit der AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

„Die vorgesehenen Eckpunkte und Maßnahmen tragen deutlich zu einer Stärkung des Schienenverkehrs bei und sind daher zu begrüßen. Ein klareres Bekenntnis zur Stellung des Schienenverkehrs im ländlichen Raum hätten wir uns gewünscht, hoffen allerdings, dass dies in den noch zu konkretisierenden Umsetzungsvorhaben Berücksichtigung findet.“

Straßenverkehr – Leitmarkt Elektromobilität und Wasserstofftechnologie

Ein weiterer Schwerpunkt liegt, nicht sonderlich überraschend, beim Straßenverkehr. Es wird weiter Investitionen in die Straße geben, wobei hier der Schwerpunkt auf Erhalt und Sanierung (insbesondere von Brücken) gelegt wird. 

Es gibt ein grundsätzliches Bekenntnis zum EU-weiten Ziel, bis 2035 aus dem Verbrenner auszusteigen. Inwieweit das für Deutschland vor 2035 gelingt, bleibt allerdings offen.

Die „grüne“ Wasserstofftechnologie soll massiv ausgebaut werden – dies erkennt man im Bekenntnis dazu, ein Leitmarkt werden zu wollen, sowie in einem ambitionierten Update der nationalen Wasserstoffstrategie, und der klaren Ansage zur finanziellen Förderung der dafür notwendigen Infrastruktur.

Deutschland soll zum Leitmarkt für Elektromobilität werden, was durch das Ziel, bis 2030 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf den Straßen zu haben, eindeutig untermauert wird.

Zudem soll die Ladeinfrastruktur deutlich ausgebaut werden, mit 1.000.000 öffentlichen Ladepunkten. Die weiteren Ziele im Bereich der Ladeinfrastruktur verbleiben jedoch auf den jetzigen Regelungen, sodass hier auch kein großer Sprung erwartet werden darf.

Darüber hinaus soll es mehr Forschung in Batterietechnologien geben, was die dazu notwendigen finanziellen Mittel mit einschließt. 

Ein Mobilitätsdatengesetz soll auf den Weg gebracht werden, allerdings ohne, dass man erkennen könnte, welche Schwerpunkte darin eine Rolle spielen sollen.

Für die LKW-Maut ist ein Update vorgesehen, welches die CO2-Differenzierung beinhaltet.

Fazit der AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

„Grundsätzlich sind die Maßnahmen zu begrüßen, bleiben aber weiter hinter den Erwartungen bzw. Anforderungen für eine klimaneutralere Verkehrspolitik zurück.

Gravierender sind vielmehr die Themen, die man im Koalitionsvertrag nicht findet. 

Neben einer fehlenden Aussage zum Abbau klimaschädlicher Subventionen und der kompletten Absage an ein Tempolimit sind auch Themen wie die Förderung der Elektromobilität, der Aspekt der Nachhaltigkeit der Elektromobilität und ein Bekenntnis zur Verringerung des Stromverbrauchs komplett Fehlanzeige.

Weitere steuerungsrelevante Ansätze zur Unterstützung eines klimafreundlichen Verkehrssektors, wie beispielsweise ein Bonus/Malus-System bei Neuzulassungen, sucht man ebenso vergeblich.

Komplettiert wird dies durch das Festhalten an eFuels und Wasserstoff als Technologie für den PKW. Daneben werden die Flottengrenzwerte in ihrer jetzigen Form nicht in Frage gestellt.“

ÖPNV

Es ist zu begrüßen, dass die Ausgleichszahlungen an den ÖPNV (pandemiebedingte Ausgleichszahlungen) auch weiterhin aufrechterhalten werden sollen.  Die geforderte Bereitstellung von Echtdaten unter fairen Bedingungen ist ebenso zu begrüßen, wie die anbieterübergreifende Buchung und Bezahlung.

Fazit der AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

„Dass der ÖPNV zukünftig einen klar höheren Stellenwert als der motorisierte Individualverkehr (MIV) haben soll, dazu fehlte den Koalitionären offensichtlich entweder der Mut oder die Vision.

Daher sucht man auch ein Konzept für die bessere Anbindung und Vernetzung zwischen Ballungsgebieten und Umland vergeblich. Eine intermodale Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel hat man ebenso unberücksichtigt gelassen, wie die Möglichkeiten des vernetzten digitalen Verkehrs (Bsp. Smart city).“

Was uns sonst noch (negativ) auffällt.

Wir vermissen eine klare Aussage zu Veränderungen des Modal Split [1] zugunsten klimafreundlicher Mobilität.

Den Komplex Rad- und Fußverkehr in knappen 5 Sätzen mit quasi nichtssagenden Floskeln abzutun entspricht nicht den Erfordernissen einer notwendigen Verkehrswende. Das Bekenntnis zum Masterplan Rad und der Zusicherung der Mittel ändert an dem wirklich miesen Gesamteindruck nichts.

Ebenso wird der notwendige Umbau der Ballungszentren zu verkehrsberuhigten Zonen, welche auch durch Verringerung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und der daraus geringeren Feinstaubbelastung zu einer höheren Lebensqualität führen, im Vertrag völlig unberücksichtigt gelassen. Der bloße Verweis auf „Parkraumbewirtschaftung“ ist nicht nur ziemlich dürftig, sondern auch massiv unzufriedenstellend.

Es ist zwar löblich, beim Flugverkehr auf klimafreundlichere Treibstoffe zu verweisen und eine Preisuntergrenze für Flüge zu vereinbaren. Allerdings sind Kurzstrecken-/Inlandsflüge ohne erkennbare Reduzierung weiterhin Bestandteil des Modal Split. Dies wird den Umstieg auf alternative Verkehrsmittel sicherlich in keiner Form beschleunigen.

Zudem vermissen wir die Einrichtung oder Förderung eines Investitionsfonds für neue Mobilitätskonzepte, sowie die fehlenden Aussagen dazu, wie Barrierefreiheit denn zukünftig sichergestellt werden soll. Auch die Möglichkeiten zur Herbeiführung eines veränderten, gesamtgesellschaftlichen Mobilitätsbewusstseins wurden im vorliegenden Vertrag völlig außer Acht gelassen.

Ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verlagerung des Lastverkehrs weg von der Straße auf die Schiene vermissen wir übrigens ebenso.

Fazit unserer AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

Der vorgelegte Koalitionsvertrag greift an wichtigen Punkten, wie der Förderung des Schienenverkehrs sowie dem Ausbau der Elektromobilität, wichtige Punkte auf, die zu einem klimafreundlicheren Verkehr führen können. Der in Ansätzen erkennbare Vorrang der Schiene gegenüber der Straße wäre ein Paradigmenwechsel zur bisherigen Regierungspolitik. Die angestrebte Halbierung der Verfahrensdauer bei Genehmigungs- und Planungsprozessen im Verkehrs- und Mobilitätsbereich finden wir begrüßenswert.

Frank Grenda, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, führt weiter aus:

„Wer erwartet hat, dass die neuen Koalitionäre nun zum großen Sprung bei Verkehr oder Mobilität ansetzen, wird an vielen zentralen Punkten enttäuscht zurückgelassen. Der eigenen Präambel  „ … eine nachhaltige, barrierefreie, innovative und für alle alltagstaugliche und bezahlbare Mobilität ermöglichen. Mobilität ist Teil der Daseinsvorsorge und Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ genügt der vorliegende Koalitionsvertrag aus unserer Sicht in weiten Teilen nicht.

Wesentlich mehr Mut und eine übergreifende Vision wären nötig gewesen, um dem notwendigen Umbau des Verkehrs- und Mobilitätssektors auch langfristig den entscheidenden Schwung zu versetzen.“

Am Schluss noch ein kleiner Funfact:

Die Worte „Verkehrswende, eBike, Pedelec, Lastenrad, Modal-Split oder Shuttle“ sucht man im vorliegenden Koalitionsvertrag vergebens.

Dich interessiert das Themenfeld „Verkehr und Mobilität“? Dann wende dich an unsere Arbeitsgruppe.

Die Sitzung findet wöchentlich Donnerstags ab 19.00 Uhr auf unserem Mumbleserver statt.

Weitere Infos auf der Homepage (wiki.piratenpartei.de/AG_Verkehr_und_Mobilit%C3%A4t) oder bei Twitter

Quellen:

[1] de.wikipedia.org/wiki/Modal_Split