Anfrage
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Bundesfamilienministerin Paus ist entsetzt über Fälle von Gewalt in bayerischen Kitas. Laut einer Recherche des BR seien 2022 bis Dezember mehr als 230 Fälle von seelischer und körperlicher Gewalt gegen Kinder vorgekommen. Kinder wurden beispielsweise von Kita-Personal zum Essen gezwungen, erniedrigt, bloßgestellt oder grob angefasst. Durch Stressoren wie dem hohen Arbeitsaufkommen bei fortbestehendem Fachkräftemangel und pandemiebedingt hohem Krankenstand ist die Gefahr groß, dass es auch in NRW zu Übergriffen gegenüber der Selbstbestimmtheit der in den Einrichtungen betreuten Kinder kommt.
Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung innerhalb der Einrichtung durch Personal, andere Kinder oder bauliche Mängel ist das LVR-Landesjugendamt frühzeitig zu informieren. Dazu gehören laut eben diesem insbesondere Unfälle mit Personenschäden, Aufsichtspflichtverletzungen, verursachte oder begünstigte Übergriffe/Gewalttätigkeiten, sexuelle Gewalt, unzulässige Strafmaßnahmen, herabwürdigende Erziehungsstile, grob unpädagogisches (vorwiegend verletzendes) Verhalten, Verletzung der Rechte von Kindern, gewichtige Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit des Personals zu einer Sekte oder zu einer extremistischen Vereinigung und Rauschmittelabhängigkeit von Personal.
Aufbauend auf die Antwort der Stadtverwaltung auf die Anfrage Gewaltprävention des Stadtelternrats Leverkusen vom 22.12.2017, die am 25.2.2018 beantwortet wurde, man dabei aber unserer Einschätzung nach überwiegend auf Gewalt zwischen Kindern oder durch Erziehungsberechtigte abstellte, stellen wir daher untenstehende Fragen.
Hierbei ist uns wichtig, dass wir dies nicht als Anklage des pädagogischen Personals verstanden haben möchten, welches seit Jahren mit Personalknappheit kämpft und durch die Pandemie besonders belastet war und ist, sondern im Gegenteil durch Überlastungssituationen entstehende Problematiken verdeutlichen wollen, um diese abzustellen und Risikofaktoren für Gewalt präventiv reduzieren möchten. Dies kann nicht gelingen, wenn das Problem tabuisiert wird.
- Welche Verfahren gibt es in den Kindertageseinrichtungen in der Stadt Leverkusen, um Gewalt und potentiell kindeswohlgefährdendes Verhalten durch Mitarbeitende festzustellen und dem abzuhelfen bzw. vorzubeugen? Gedenkt die Stadt Leverkusen, ein solches Verfahren im Zusammenhang mit dem vom Bundestag bereits beschlossenen Hinweisgeberschutzgesetz zu überarbeiten?
- Wie wird in der Stadt Leverkusen sichergestellt, dass bei Beobachtung oder Verdacht von potentiell kindeswohlgefährdendem Verhalten wie physischer oder psychischer Gewalt durch Mitarbeitende dieses gemäß § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII gemeldet, aufgeklärt und nachbereitet wird?
- Welche Arten von physischer und psychischer Gewalt durch Mitarbeitende wurden nach Erkenntnis der Stadtverwaltung in Leverkusen in den vergangenen fünf Jahren in Leverkusener Kindertageseinrichtungen beobachtet bzw. dem Landesjugendamt gemeldet?
- Liegen der Stadtverwaltung bzw. dem Landesjugendamt Zahlen über die Häufigkeit derartiger Übergriffe in Kitas in der Stadt Leverkusen in dem vergangenen fünf Jahren vor? Bitte nach Jahren, Stadtteilen und Trägerschaft aufschlüsseln.
- Sind der Stadt Leverkusen Fälle bekannt, bei denen Kita-Mitarbeitende infolge von durch sie begangene physische und psychische Gewalt gegenüber Kindern entlassen bzw. versetzt werden mussten?
Mit freundlichen Grüßen
Keneth Dietrich
Oliver Ding
Stellungnahme
Die Anfrage wurde in der z.d.A. Rat Nr. 3 vom 24.3.2023 wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Für die Kindertageseinrichtungen der Stadt Leverkusen gibt es einen Handlungsleitfaden über die Vorgehensweise bei einer Beobachtung von Ereignissen oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl von Kindern zu gefährden. Hierin werden zunächst Kategorien differenziert, die Mitarbeitenden einen Überblick geben und eine Einschätzung erleichtern sollen. Mit Bezug auf eine potentielle Gefährdung des Kindeswohls ausgehend von Mitarbeitenden finden sich im Handlungsleitfaden unter anderem die drei nachfolgenden Kategorien wieder:
* Fehlverhalten von Mitarbeitenden,
* Straftaten bzw. Strafverfolgung von Mitarbeitenden sowie
* strukturelle und personelle Rahmenbedingungen
Für die Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertageseinrichtung nach § 45 SGB VIII haben Träger ein Konzept zu erstellen, das auch den Anforderungen des Kinderschutzgesetzes NRW gerecht wird. Aufgrund dieser Verpflichtungen sowie der Verpflichtung zur Dokumentation und ggf. Meldung von kindeswohlgefährdenden Beobachtungen haben Mitarbeitende der Kindertageseinrichtungen der Stadt Leverkusen keine Benachteiligungen zu befürchten. Insofern erscheint eine Überarbeitung im Zusammenhang mit dem Hinweisgeberschutzgesetz wenig zielführend. Sinnvoll ist eine stetige Fortentwicklung der bereits bestehenden Kinderschutzkonzepte (siehe Antwort zu Punkt 2).
Zu 2.:
Die Mitarbeitenden sind verpflichtet, alle damit in Zusammenhang stehenden Ereignisse oder Entwicklungen in einem Dokumentationsbogen festzuhalten und im Zusammenwirken mit der jeweiligen (stellvertretenden) Einrichtungsleitung und einer weiteren mitarbeitenden Person eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen. Je nach Ergebnis der Einschätzung muss eine Meldung an die Pädagogische Fachberatung im Fachbereich Kinder und Jugend erfolgen. Von dort wird die Meldung an das Landesjugendamt weitergegeben.
Da die Gefährdungseinschätzung und die daraus resultierende Meldepflicht nach §47 SGB VIII in vielen Fällen nicht eindeutig erscheint, kann hierzu Kontakt mit den Kinderschutzfachkräften des Fachbereichs Kinder und Jugend aufgenommen werden. Damit die Kinderschutzfachkräfte hierdurch nicht zu sehr vereinnahmt werden, haben die Einrichtungen Beurteilungsampeln entwickelt, auf deren Grundlage eine Risikoanalyse erfolgt. Zusätzlich wird mit den (stellvertretenden) Leitungen in diesem Jahr als Zielvereinbarung die Entwicklung eines organisationalen Schutzkonzeptes vereinbart.
Sollten Mitarbeitende Fehlverhalten bei der (stellvertretenden) Einrichtungsleitung feststellen, ist die Pädagogische Fachberatung zu kontaktieren.
Zu 3.:
In den vergangenen fünf Jahren wurden nach Kenntnis der Stadtverwaltung Leverkusen keine Meldungen hinsichtlich physischer und psychischer Gewalt durch Mitarbeitende beobachtet bzw. gemeldet.
Zu 4.:
Bezugnehmend auf Punkt 3 liegen folglich keine Zahlen vor.
Zu 5.:
Fälle, bei denen Kita-Mitarbeitende infolge von durch sie begangene physische und psychische Gewalt gegenüber Kindern entlassen bzw. versetzt werden mussten, sind der Stadt Leverkusen nicht bekannt.
Kinder und Jugend
Inhalte
Anfrage
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Bundesfamilienministerin Paus ist entsetzt über Fälle von Gewalt in bayerischen Kitas. Laut einer Recherche des BR seien 2022 bis Dezember mehr als 230 Fälle von seelischer und körperlicher Gewalt gegen Kinder vorgekommen. Kinder wurden beispielsweise von Kita-Personal zum Essen gezwungen, erniedrigt, bloßgestellt oder grob angefasst. Durch Stressoren wie dem hohen Arbeitsaufkommen bei fortbestehendem Fachkräftemangel und pandemiebedingt hohem Krankenstand ist die Gefahr groß, dass es auch in NRW zu Übergriffen gegenüber der Selbstbestimmtheit der in den Einrichtungen betreuten Kinder kommt.
Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung innerhalb der Einrichtung durch Personal, andere Kinder oder bauliche Mängel ist das LVR-Landesjugendamt frühzeitig zu informieren. Dazu gehören laut eben diesem insbesondere Unfälle mit Personenschäden, Aufsichtspflichtverletzungen, verursachte oder begünstigte Übergriffe/Gewalttätigkeiten, sexuelle Gewalt, unzulässige Strafmaßnahmen, herabwürdigende Erziehungsstile, grob unpädagogisches (vorwiegend verletzendes) Verhalten, Verletzung der Rechte von Kindern, gewichtige Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit des Personals zu einer Sekte oder zu einer extremistischen Vereinigung und Rauschmittelabhängigkeit von Personal.
Aufbauend auf die Antwort der Stadtverwaltung auf die Anfrage Gewaltprävention des Stadtelternrats Leverkusen vom 22.12.2017, die am 25.2.2018 beantwortet wurde, man dabei aber unserer Einschätzung nach überwiegend auf Gewalt zwischen Kindern oder durch Erziehungsberechtigte abstellte, stellen wir daher untenstehende Fragen.
Hierbei ist uns wichtig, dass wir dies nicht als Anklage des pädagogischen Personals verstanden haben möchten, welches seit Jahren mit Personalknappheit kämpft und durch die Pandemie besonders belastet war und ist, sondern im Gegenteil durch Überlastungssituationen entstehende Problematiken verdeutlichen wollen, um diese abzustellen und Risikofaktoren für Gewalt präventiv reduzieren möchten. Dies kann nicht gelingen, wenn das Problem tabuisiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Keneth Dietrich
Oliver Ding
Stellungnahme
Die Anfrage wurde in der z.d.A. Rat Nr. 3 vom 24.3.2023 wie folgt beantwortet: