Anfragen

Anfrage #LeverkusenAberSicher: Hochwasser in Leverkusen

Screenshot aus dem Video "Opladen: Nach der Flut - 15.7.2021 13-14 Uhr" von athomic_arts
Überflutung durch Wupper-Hochwasser in Opladen (Screenshot aus dem Video "Opladen: Nach der Flut - 15.7.2021 13-14 Uhr" von athomic_arts)

Gerne dokumentieren wir hier die gemeinsam entwickelte Anfrage zur Hochwasserkatastrophe am 14./15.07.2021 in Leverkusen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Richrath,

die Erkenntnisse aus einer Nachbetrachtung der Hochwasserkatastrophe müssen in einem Bericht den Fachausschüssen und dem Rat vorgelegt werden.  Es geht uns nicht darum, Schuldige auszumachen oder einen monokausalen Zusammenhang zu konstruieren, sondern um eine möglichst gründliche und exakte Aufarbeitung.  Auf Basis dieses Berichtes können wir als Stadt für zukünftige Ereignisse besser gewappnet zu sein und somit erfolgreicher damit umgehen. Sollten politische Entscheidungen für eine Optimierung notwendig sein, sollten diese auf Basis des Berichtes konkret diskutiert und beschlossen werden. 

Wir bitten um eine möglichst konkrete und exakte Beantwortung folgender Fragen:

Vorlauf zur Krise

  • Wann wurde die Stadt über die bevorstehende Gefahrenlage informiert? 
    • Gemäß der Darstellung in der unten aufgeführten Quelle war dies spätestens am Dienstag (13.07.21) der Fall [1]. 
    • Wie wurde mit dieser Information umgegangen? Wurde reagiert?
  • Wann trat der Krisenstab der Stadt Leverkusen am Mittwoch, den 14.07.21 zusammen (14 Uhr oder 16 Uhr)
    • Welche Gründe gab es für die Entscheidung, nicht früher mit den Vorbereitungen zu beginnen?
  • Über welche Informationen verfügte die Stadt Leverkusen bzw. an welchen  Entscheidungen einer höheren Ebene war sie beteiligt, um die Bevölkerung zu warnen? 
    • Hat die Stadt aktiv auf eine Warnung der Bevölkerung verzichtet, oder Warnungen nicht an die Bevölkerung weiter gereicht? Warum entschied man sich die Sirenen nicht zu nutzen?

Entscheidungen im Krisenstab

  • Hätte die Stadt Leverkusen – z. B. der Krisenstab – genauer und besser reagieren können? Welche Fehler wurden erkannt:
    • Wann wurde im Krisenstab festgestellt, dass es sich um ein HQextrem-Ereignis handelt?
    • Welches Kartenmaterial wurde vom Krisenstab für die kurzfristigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verwendet?
    • Welche Maßnahmen und Interventionen waren für ein HQextrem-Ereignis im Vorfeld festgelegt?
  • Kurz nach 16 Uhr hätte festgestellt werden müssen, dass nicht das HQ100- sondern das HQextrem-Szenario eintreten wird. 
    • Lagen die Echtzeitdaten der Pegelmessstationen vor?
    • Warum wurde es unterlassen, die Bevölkerung in den Straßen, welche laut Karten betroffen sein werden (diese Karten hatten eine extrem hohe Treffergenauigkeit) zu warnen. [4]
      • Dass in den Parterre- und Souterrain-Wohnungen niemand umgekommen ist, ist als ein glücklicher Zufall zu werten. Für Betroffenen wäre eine ca. zweistündige Vorlaufzeit möglich geworden.
    • Warum wurde auf eine Warnung verzichtet?
  • War dem Krisenstab bekannt, dass eine Flutwelle durch Opladen rollen wird? Sie etwickelte u.a. in der Kopernikusstraße eine solche Geschwindigkeit und Wucht, dass Menschenleben in Gefahr waren – warum wurde die Bevölkerung nicht (mit Sirenen oder durch Rettungskräfte etc.) gewarnt?
  • Warum wurde die Opladener Bürger nicht über die Öffnung der Wuppertalsperre über Lautsprecher informiert, obwohl im direkt vorgelagerten Bereich schon Evakuierungsmaßnahmen durchgeführt wurden[3]?
  • Wann wurden Erdgeschosswohnungen auf mögliche gefährdete Personen durchsucht und geprüft? War eine Evakuierung in der Nacht auf Grund Eigengefährdung ausgeschlossen?

Hochwasserkarten
Alle HQextrem-Karten [4] haben eine sehr genaue Prognose für unser Stadtgebiet gestellt. Die wenigen Aussnahmen (z.B. Klinikum) sind darauf zurück zu führen, dass selbst die HQextrem-Werte übertroffen wurden.

  • In den Unterlagen zur Vorlage 2021/0659 wurden Hochwasserkarten veröffentlicht. Diese stimmen nicht mit den Karten 273678_wiembach_a00_gk_hw_b001.pdf oder 273678_wiembach_a00_gk_mw_b001.pdf [4] überein.
    • Auf welches Kartenmaterial beruft sich die Stadt Leverkusen und welche wurden für die Beurteilung der Lage herangezogen?
    • Es gibt öffentlich gestellte Karten für Wupper und Wiembach, aber kein kombiniertes Kartenwerk, warum?
    • Gibt es Kartenmaterial, welches entsprechende Szenarien, wie erlebt, ausweist und ein  kombiniertes Hochwasserereignis simuliert?
    • Welches Szenario liegt zu Grunde, wenn nur ein Fluss über die Ufer tritt, nicht aber der andere? Ist das überhaupt denkbar?
  • Welche Gefahrenhäufigkeit (HQhäufig, HQ100, HQextrem) legt die Verwaltung bei der Festlegung von Hochwasserschutzmaßnahmen zugrunde? Wird/Kann die Verwaltung angesichts der inzwischen gemachten Erfahrungen und eine bedingt durch den Klimawandel größere Wahrscheinlichkeit von extremen Wetterereignissen (hier Starkregen) noch an dieser Bewertung festhalten?
  • Welche Schutzmaßnahmen wurden im Vorfeld in der Stadt Leverkusen entwickelt, um die in den Gefahren- und Risikokarten TEZG Wupper [4] sichtbar werdenden Überflutungsgebiete besser schützen zu können?

Ursachenforschung

  • Stellen Sie die Überflutung des Oulusees bitte in zeitlicher Abfolge dar. Gibt es inzwischen Erkenntnisse warum die Überflutung geschehen ist? (Durchmesser Rohr; Überflutungsfläche, Regenrückhaltebecken)
  • Welche Flächen wurden zusätzlich im Rahmen der Bautätigkeiten BayArena  Umsetzung von MC Donalds aus der Bay Arena hinter der Ostermannarena und dem Soccercentor zu Parkplätzen umgewandelt und zusätzlich versiegelt? Haben diese Versiegelungen zu einer zusätzlichen Wasserlast auf die angrenzende Wohnbebauung geführt?

Umweltaspekte

  • Öltanks müssen in der Wiembach per Bauordnung hochwassersicher gebaut werden. Wie häufig wurde dies kontrolliert und warum kam es dennoch zu Ölaustritten?
  • Stellen Sie bitte eine Übersicht der Umweltschäden durch Öl- und Benzinaustritte dar. Wer hat wie agiert, um eine Verseuchung nach dem Wasserrückgang einzudämmen?

Ausblick

  • Wie gedenkt die Stadt, während zu erwartenden Umbaumaßnahmen von stadtweiter Relevanz im Zusammenhang mit dem Ausbau der Autobahnen A1 und A3 im Stadtgebiet den Hochwasserschutz sicherzustellen? Wie gedenkt man diese zusätzliche Flächenversiegelung von 20 ha in Bezug auf Starkregenereignisse zu kompensieren?
  • Ist die Stadt Leverkusen mit den Kommunen am Unterlauf von Wupper und Dhünn vernetzt, um dort über Maßnahmen zur Flutbegrenzung, z.B. Rückhaltebecken, ausgewiesene Überschwemmungsgebiete informiert zu sein und ggf. engmaschige Informationen über sich andeutende Gefährdungslagen zu erhalten?
  • Es hat sich gezeigt, dass Sperrungen der Autobahnen zu einem Ausweichverkehr durch die Stadt führen. So wird z.B. bei der A1-Sperrung die Ausfahrt Burscheid genutzt und die Strecke durch Opladen genommen. Dabei werden Durchfahrtsverbote ignoriert und durch den Rückstau, Wendemanöver etc. Rettungskräfte behindert. In den folgenden Tagen wurde teilweise durch das Ordnungsamt / Polizei der Verkehr geregelt.  Vor diesem Hintergrund ist dieser Aspekt der Behinderung sowie Eigen- und Fremdgefährdung zu beleuchten. Soweit möglich sollten Verkehrskonzepte geprüft werden, die Verkehrsströme weit vor der Gefahrenlage ablenken.

In dem Bericht ist möglichst aufzuzeigen, wie zukünftig organisatorisch, technische oder menschliche Fehler verhindert werden können – ähnlich wie es bei Krisennachbetrachtungen in der Luftfahrt geschieht.
Eine Aufarbeitung der Ereignisse und eine zielgerichtete zukünftige Planung, um die Folgen solcher Ereignisse in Zukuft zumindest mindern zu können, ist mit dem Rat und seinen Ausschüssen abzustimmen.  Als Beispiel empfiehlt es sich mit der Stadt Grimma und deren Umgang mit Hochwasser Kontakt aufzunehmen. 

In der Vergangenheit wurde unterschiedlich verfahren, insofern die Presse ähnlich lautende Anfragen an die Verwaltung gerichtet hat und Anfragen von einzelnen Ratsvertretern wurden auf Grund der Wichtigkeit kurzfristig beantwortet und vorab an entsprechende Verteiler kommuniziert. 
Wenn die o.g. Punkte von allgemeinem kurzfristigen Interesse sind oder Pressemitteilungen mit gleichlautendem Inhalt veröffentlicht werden, erwarten wir in Zukunft, dass die entsprechende Frage(n) inkl. der Antwort zeitgleich allen Rats-, Bezirks- und Ausschussmitgliedern zur Verfügung gestellt werden.

    [1] Wann hat wer gewarnt? – Eine Rekonstruktion, WDR
    [2] Kreis in NRW löste Warnsirenen bewusst nicht aus, T-Online
   [3] https://www.zeit.de/news/2021-07/15/wupper-talsperre-laeuft-kontrolliert-ab
   [4] Gefahren- und Risikokarten TEZG Wupper: https://www.flussgebiete.nrw.de/gefahren-und-risikokarten-tezg-wupper-6734

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Kronenberg

Keneth Dietrich
Die Linke

Stellungnahme

Die Stadtverwaltung hat in der z.d.A. Rat vom 12. August 2022 geantwortet.

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